Mit dem 30. Januar 1933, dem Tag, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, begann der Prozess des Machtausbaus der Nationalsozialisten. Die Ernennung zum Reichskanzler brachte Adolf Hitler seinem Ziel der alleinigen Macht über Deutschland zwar einen Schritt näher, dies war jedoch aus Hitlers Sicht keineswegs zufriedenstellend. Die NSDAP war in ihrem Handeln immer noch an die Verfassung und den Koalitionspartner gebunden und musste außerdem mit Widerstand aus den Reihen der eigenen Minister und von der politischen Linken rechnen.
Vorläufig hatte die NSDAP das Ziel, bei den nächsten Reichstagswahlen die absolute Mehrheit zu erreichen. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden „Streitkräfte“ benötigt, die in eigenem Interesse handelten, also politische Gegner inhaftierten. Am 22. Februar bildete Hermann Göring zu diesem Zweck die sogenannte „Hilfspolizei“, bestehend aus Männern der Schutzstaffel (SS).
Am 27. Februar kam es zum Brand des Reichstages, der propagandistisch genutzt wurde, indem man Massenverhaftungen von Kommunisten und anderen politischen Gegnern, auch Juden, dadurch rechtfertigte, dass diese Gruppen für den Brand verantwortlich seien. Am darauffolgenden Tag wurde schließlich die „Reichstagsbrandverordnung“ erlassen, eine Verordnung, welche die Grundrechte der Bürger, wie die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit außer Kraft setzte. Trotz aufwändiger Propaganda und der gewaltsamen Unterdrückung politischer Gegner wurde das Ziel der absoluten Mehrheit bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 mit 43,9 % deutlich verfehlt. Indem man am 8. März die Sitze der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) für ungültig erklärte, wurde das Parlament von 647 auf 566 Sitze verkleinert. Mit ihren 288 Abgeordneten hatte die NSDAP nun die absolute Mehrheit im Parlament. Der als Staatsakt inszenierte Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg, der als „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 in die Geschichte einging, war der Versuch, die alten Eliten sowie Großindustrielle mit dem neuen Kabinett zu versöhnen, indem Hitler sich traditionsgetreu und demütig dem elitären Feldmarschall gegenüber zeigte. Der Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg sollte hierbei symbolisch für die Einheit zwischen dem alten Preußen und dem „neuen Deutschland“ stehen.
Am 23. März folgte mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes einer der bedeutendsten Schritte in der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. Dieses verfassungsändernde Gesetz bewirkte, dass die Rechte des Parlaments außer Kraft gesetzt und somit die Gewaltenteilung aufgehoben wurde. Der Regierung wurde es somit ermöglicht, Gesetze ohne Zustimmung des Reichsrates oder Reichstages zu erlassen, selbst wenn diese verfassungsändernd waren. Ende März begann der Prozess der Gleichschaltung, die die Errichtung eines Staates, in dem alles zentral auf den „Führer“ hinauslaufen sollte, zum Ziel hatte. Zunächst wurden Ende März die Länderparlamente aufgelöst und neu nach den Ergebnissen der Reichstagswahlen zusammengesetzt. Hierdurch erlangten die Nationalsozialisten auch auf Länderebene die absolute Mehrheit.
Am 1. Mai 1933 wurde der „Tag der Arbeit“ erstmalig in Deutschland als Feiertag gefeiert. Mit dieser Geste wollten die Nationalsozialisten sich als „Arbeiterpartei“ inszenieren, um die Arbeiter für sich zu gewinnen. Am 2. Mai kam es mit der Zerschlagung der freien Gewerkschaften zu einer weiteren wichtigen Etappe im Prozess der Gleichschaltung, denn die Arbeiter mussten nun Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) werden, einer staatlichen Gewerkschaft.
Als am 10. Mai in großem Stile in den Universitätsstädten Bücher jüdischer und oppositioneller Schriftsteller verbrannt wurden, war klar: Die Nationalsozialisten wollen auch die Macht über das Denken und die Bildung der Bevölkerung übernehmen. Somit sollte auch die Erziehung der Jugend gleichgeschaltet werden. Am 17. Juni wurden zudem alle Jugendverbände dem Reichsjugendführer Baldur von Schirach untergeordnet.
Mit dem Verbot von Parteien und Gewerkschaften, welches am 14. Juli mit dem „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ durchgesetzt worden war, wurde Deutschland zum Ein-Parteien-Staat. Auf innerparteilicher Ebene wurden 1934 in einer Nacht- und Nebelaktion, bekannt geworden als „Röhm-Putsch“, die parteiinternen Gegner in den Reihen der NSDAP um Ernst Röhm (SA-Führung) ausgeschaltet. Die Partei stand nun geschlossen hinter Adolf Hitler. Der Weg in die Diktatur wurde mit dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August 1934 quasi vollendet. Hitler vereinigte das Amt des Reichskanzlers und das des Reichspräsidenten und erhielt so den Oberbefehl über die Reichswehr. Er hatte nun als „Reichskanzler und Führer“ die nahezu uneingeschränkte Macht über das Reich.
Am Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler gerieten am Abend in Pforzheim Kommunisten, die im Chor „Nieder mit Hitler“ riefen, mit einem großen Fackelzug der SA und des Stahlhelmes aneinander. Es gab mehrere gewaltsame Konfrontationen. In der Holzgartenstraße kam es schließlich zu einer Schlacht, bei der Anhänger beider Gruppen zum Teil schwer verletzt wurden. Nach diesem Tag verbot die Polizei den Anhängern der KPD Veranstaltungen im Freien. Der Grund hierfür sollte nicht im Verhalten der Kommunisten am 31. Januar gesucht werden, denn sie wurden von den Teilnehmern von SA und Stahlhelm auf ihren Protest hin mit brennenden Fackeln attackiert und es ist nicht anzunehmen, dass sie der Motor der gewaltsamen Auseinandersetzung waren, wenn man bedenkt, dass sie stark in der Unterzahl waren. Vielmehr ist dieses Verbot als Maßnahme der Nationalsozialisten zu verstehen, die darauf abzielte, politische Gegner mundtot zu machen, um so bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit erzielen zu können.
Die sozialdemokratische Zeitung „Freie Presse“ wurde verboten, während die Menschen von den Artikeln des mittlerweile stark nationalsozialistisch geprägten „Pforzheimer Anzeigers“ beeinflusst wurden. Oberbürgermeister Dr. Gündert verabschiedete sich Ende Februar aus seinem Amt und ging nach Mannheim, um eine Stelle als Präsident des Badischen Giro- und Sparkassenverbandes anzutreten. Wahrscheinlich ahnte er, dass er in seinem Handeln als Bürgermeister unter nationalsozialistischer Herrschaft nicht mehr frei sein würde. Der Bürgerausschuss wählte nun am 22. Februar den bisherigen Stadtoberrechtsrat Dr. Gottlob zum Bürgermeister. Bei der Reichstagswahl vom 5. März erhielt die NSDAP 43,9 Prozent der Stimmen im Reich, doch das zu diesem Zeitpunkt schon relativ „braune“ Pforzheim übertraf dieses Ergebnis: 57,5 Prozent der Wahlberechtigten in Pforzheim gaben ihre Stimme der NSDAP.
Gleichschaltung
Am 8. März folgte die Absetzung der badischen Regierung, worauf Gauleiter Robert Wagner von der NSDAP die Regierungsgewalt erhielt. Als dieser am 14. März die Pforzheimer Polizei besichtigte, hat ihn der Anblick der auf dem Marktplatz aufgestellten Polizisten, Nationalsozialisten und Anhängern des Stahlhelms, sowie der zahlreiche Flaggenschmuck und die rege Beteiligung der Bevölkerung an der Formation mit Sicherheit zufrieden gestellt.
Im Zuge des Gleichschaltungsgesetzes vom 31. März 1933 wurden die Gemeinde- bzw. Stadträte neu gebildet. Sie wurden dem Ergebnis der Reichstagswahlen, natürlich ohne Berücksichtigung der Stimmen der KPD, angepasst. So erhielt auch Pforzheim einen neuen Stadtrat, in dem acht der zwölf Mitglieder der NSDAP angehörten. Auch die Pforzheimer Hitler-Jugend wurde früh im ideologischen Sinne aktiv, beispielsweise indem sie am 17. Juni 1933 eine Bücherverbrennung auf dem Pforzheimer Marktplatz veranstaltete.
Boykott jüdischer Geschäfte
Einen weiteren traurigen Höhepunkt stellte der Boykott jüdischer Geschäfte dar. Zu diesem hatte Reichspropagandaminister Goebbels am 1. April 1933 aufgerufen. Dieser wurde auch in Pforzheim vollzogen. Die Schaufenster der Geschäfte jüdischer Kaufleute am Marktplatz und in der Westlichen Karl-Friedrich-Straße wurden mit gelben Zetteln versehen, die die Aufschrift trugen: „Ein Lump und Landesverräter ist, wer heute noch beim Juden kauft“. SA-Männer beschimpften Kunden, die dort einkaufen wollten. Im Rahmen der Gleichschaltung wurden am 2. Mai zahlreiche Gewerkschaftshäuser besetzt, mit dem Ziel, eine einheitliche, staatliche Gewerkschaft, die Deutsche Arbeitsfront (DAF), zu gründen und die freien Gewerkschaften zu verbieten. In Pforzheim wurden im Laufe dieses Prozesses am 2. Mai die Gebäude des Deutschen Metallarbeiterverbandes in der Emma-Jäger-Straße, des Bauarbeiterverbandes in der Zehnthofstraße und des Gewerkschaftskartells in der Klostermühle von bewaffneten SA- und SS-Leuten besetzt. Über gewaltsame Zwischenfälle bei der Besetzung ist nichts bekannt.
Ein weiterer Schritt im Prozess der Gleichschaltung in Pforzheim war die Ernennung des neuen Oberbürgermeisters Hermann Kürz durch den badischen Gauleiter Robert Wagner im Juni 1933. Er trat sein Amt am 19. Juni 1933 an, wurde jedoch erst knapp drei Wochen später gewählt, wobei man wohl kaum von einer Wahl sprechen kann. Der Stadtrat, der zuvor bereits nationalsozialistisch besetzt worden war, bestätigte ihn einstimmig in seinem Amt.
Der Faschingsumzug in Pforzheim 1935 wurde ebenfalls Ausdruck des in der Bevölkerung verbreiteten Antisemitismus. Eine Gruppe hatte Masken aufgesetzt, wie sie im „Stürmer“ als Kennzeichnung für Juden verwendet wurden. Außerdem trugen sie einen Gebetsschal und einen Geldsack mit sich. In diesem Aufzug wollten sie ihre jüdischen Mitbürger verspotten, indem sie zum einen viele der propagandistisch genutzten Klischees über „den Juden“ zum Ausdruck brachten, und andererseits darauf aufmerksam machten, dass Juden zur damaligen Zeit nicht an gesellschaftlichen Ereignissen wie einem Faschingsumzug teilnahmen, da sie bereits von breiten Teilen der Bevölkerung geächtet wurden. Ein weiteres Beispiel unterstreicht den vorherrschenden Antisemitismus: Um 1935 wurde am Ortseingang von Stein, dem Nachbarort Königsbachs, von Bewohnern eine Tafel mit der Aufschrift „Auch zu uns nach Stein darf kein Jud herein“ angebracht.
Die nationalsozialistische Politik und die damit verbundenen Maßnahmen sollten in alle Lebensbereiche der deutschen Bevölkerung reichen. Dies betraf nicht zuletzt auch den Schul- und Bildungsbereich. Im Zuge der Gleichschaltung wurde die Verwaltung des Schulwesens, die zuvor den einzelnen Ländern unterlag, dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung untergeordnet. Dieser Schritt war nötig, um das Führerprinzip auf die Schulen anwenden zu können und die Bildungspläne der nationalsozialistischen Ideologie anpassen zu können. Zum Ziel nahm man sich die „Erziehung und Unterweisung der Jugend im Geiste des Nationalsozialismus“, was dem ersten Paragraphen des Reichsschulpflichtgesetzes vom 6. Juli 1938 zu entnehmen ist. Die allgemeine Diskriminierung, die sich gegen „Nichtarier“, insbesondere Juden, richtete, fand schnell Einzug in das Schulwesen und so wurden bald die Zugangsmöglichkeiten zu Schulen für „nichtarische“ Schüler begrenzt, sie durften konkret gerade einmal fünf Prozent der Schülerschaft ausmachen.
Im Jahr 1938 wurden jüdische Kinder schließlich gänzlich aus dem deutschen Schulwesen ausgeschlossen und in Ghettoschulen verwiesen. Als 1942 auch die jüdischen Ghettoschulen geschlossen wurden, wurde den jüdischen Kindern jeglicher Zugang zu Bildung verwehrt.
Die Umsetzung der nationalsozialistischen Schulpolitik nimmt in Baden in trauriger Hinsicht eine herausragende Rolle ein. Stellt man sich die Frage, wieso die nationalsozialistische Ideologie in badischen Volksschulen drei Jahre früher umgesetzt wurde als in anderen Teilen des Reiches, so sollte man die Rolle Otto Wackers, eines NSDAP-Parteijournalisten, untersuchen, der im März 1933 in die Leitung des badischen Kultusministeriums gelangte. Dieser zeigte viel Eigeninitiative, wenn es darum ging, die badischen Schulen völkisch auszurichten. Obwohl das Schulwesen erst Anfang 1934 im Zusammenhang mit dem Entzug der Hoheitsrechte der Länder Sache des Reiches wurde, gab es bereits seit Wackers Amtsantritt viele Reformen, die die Erziehung badischer Kinder im nationalsozialistischen Sinne sichern sollte.
Bereits im Juli 1933 wurde der „Hitler-Gruß“ in allen badischen Schulen eingeführt und auch die „Verordnung über die Aufsicht über die Volks- und Fortbildungsschulen“ vom 1. November 1933 hatte ideologische Hintergründe. Sie definierte nicht nur die Aufgabe der Schulaufsicht als „bei der Erziehung der Jugend im deutschvölkischen Geiste zum Dienst in der deutschen Volksgemeinschaft mitzuhelfen“ neu, sondern veranlasste außerdem, nicht nur eine Schule in ihrer Gesamtheit, vielmehr jeden einzelnen Lehrer nach seiner „erzieherischen Kompetenz“ zu beurteilen. Diese Bestimmung sollte dazu dienen, sich der Systemtreue der Lehrer an badischen Schulen sicher zu werden. Dies war unter anderem wichtig, um die Umsetzung der Reform der badischen Lehrpläne zu gewährleisten. Die Reform wurde mit dem „badischen Gesetz über die Grund- und Hauptschule“ vom 29. Januar 1934 umgesetzt. Diese richtete die Schulfächer ideologisch aus: „Deutsch mit Volkskunde“, „Geschichte auf völkischer Grundlage“ sowie „Natur- und Lebenskunde“, deren Hauptbestandteil die „Rassenkunde“ war, standen nun auf dem Lehrplan. Des Weiteren gab es nun die Möglichkeit, Schüler, die sich „in nationaler Hinsicht würdelos verhalten“, dauerhaft vom Unterricht auszuschließen. Der Alleingang Wackers brachte ihm scharfe Kritik aus Berlin ein, denn obwohl aus ideologischer Sicht vermutlich wenig gegen seine Reformen einzuwenden war, betonte der Reichsinnenminister Wilhelm Frick, dass die Gestaltung des Schulwesens beim Reich liege. Den Beleg hierfür lieferte das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934, welches die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertrug. Frick forderte sogar die Rücknahme des badischen Gesetzes, die Landesregierung konnte ihm diese Forderung jedoch ausschlagen. Das neu gegründete Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung konnte ideologische Standards, die den in Baden bereits 1934 eingeführten weitgehend entsprachen, erst ungefähr drei Jahre später reichseinheitlich auf alle Volksschulen übertragen. Otto Wacker und seine Mitstreiter bewirkten also mit ihrem Alleingang, dass die badischen Schulen drei Jahre früher als Schulen in anderen Teilen Deutschlands ideologisch ausgerichtet wurden. Die Aussage, man habe nur Maßnahmen aus Berlin in die Tat umgesetzt, die viele Beamte nach dem Ende des „Dritten Reiches“ tätigten, kann somit im Fall des badischen Kultusministeriums eher als Ausrede und Leugnen der persönlichen Schuld bewertet werden.
Auswirkungen auf Pforzheim
Die Umsetzung der nationalsozialistischen Schulpolitik zeigte sich nicht nur in der Umbennung der Pforzheimer Schulen: Die Nordstadt-Schule wurde zur Adolf-Hitler-Schule, die Brötzinger Schule zur Goebbels-Schule, die Osterfeld-Schule wurde zur Hindenburg-Schule. Auch die Einrichtung der Klassenzimmer entsprach dem Ungeist der Zeit: Hitler-Bilder und Hakenkreuz-Wimpel prägten die Lernumgebung der Schülerinnen und Schüler. Als Folge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933, das die Entlassung von Beamten ermöglichte, die aus ideologischen Gründen für ungeeignet gehalten wurden, entließ man auch in Pforzheim zahlreiche Lehrer. Unter anderem wurde auch der an der Hildaschule unterrichtende Professor Fritzmartin Ascher zunächst entlassen. Die Entlassung wurde aber auf Grund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg wieder revidiert. Im Herbst 1935 wurde er im Zuge der ersten Verordnung zur Durchführung des „Reichsbürgergesetzes“ endgültig entlassen. Dieses schrieb vor, dass nur „Reichsbürger“ verbeamtet sein durften. Ascher wurde mit gekürztem Ruhegehalt zum 1. Januar 1936 in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.
Ein aussagekräftiges Beispiel dafür, in welcher Form die nationalsozialistische Ideologie Einzug in das Bildungswesen fand, liefert ein Unterrichtsplan für das Fach „Staatspolitik“ an den Volksschulen, welcher in der Zeitschrift „Der nationalsozialistische Erzieher“ 1934 veröffentlicht wurde. Dieser Plan unterteilt in verschiedene Stoffgebiete, wobei vorgesehen ist, dass die Beziehung zu Juden stets Teil des Stoffes ist. So wird beispielsweise die Vorkriegszeit als Zeit, in der „der Jude“ sich breit mache, umgedichtet. Des Weiteren sei „der Jude“ Schuld an jeglichen unschönen Perioden der deutschen Geschichte. Die Verarmung der Bauern während der Industrialisierung, sowie die Hungersnot während des Ersten Weltkrieges seien beispielsweise Konsequenzen des Wohlstands der Juden. Außerdem seien die Juden Schuld an der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg, was im Unterrichtsplan als „Dolchstoß“ bezeichnet wird. Die Dolchstoßlegende, die schon in früheren Jahren von der Obersten Heeresleitung um Paul von Hindenburg erfunden wurde, besagte, dass Deutschland den Krieg nicht aufgrund militärischer Unterlegenheit verloren habe, sondern aufgrund politischer „Feinde“ im Inneren des Landes. Oftmals war die Rede davon, die Sozialdemokraten hätten das Heer im übertragenen Sinne von hinten erdolcht. Nun wird diese Rolle jedoch den Juden zugeschrieben. Das letzte Stoffgebiet wird als „Sieg des Glaubens“ betitelt und im Unterricht sollte die Jugend zum „Endkampf gegen Juda“ motiviert werden.
Weitere Schritte zur Entrechtung und Ausgrenzung jüdischer Kinder bestanden beispielsweise darin, Schulgeldermäßigungen zu verwehren (ab September 1934) oder in der Anordnung, „Nichtariern“ den Erhalt von Schulpreisen zu verweigern (ab 1935). Zudem durften ab Herbst 1935 jüdische Kinder nicht mehr an Fahrten in Landschulheime teilnehmen, da diese Fahrten als besondere Chance galten, die Jugend noch mehr auf den „nationalsozialistischen Geist“ einzuschwören.
Schulbetrieb und Alltag an der Hilda-Schule waren ab 1933 einschneidenden Veränderungen unterworfen. Von nun an gab es entsprechende Feiern zum Geburtstag des „Führers“. Seine Porträts hingen nun in den Klassenräumen. Fahnenappelle in der Nordturnhalle fanden nun zu Beginn und Ende der Schultertiale statt. Betrat der Lehrer das Klassenzimmer, musste man mit „Heil Hitler“ grüßen. Direktor Dr. Paul Geiger wurde Anfang Mai 1933 aufgrund seiner sozialdemokratischen Parteizugehörigkeit vom Dienst suspendiert. Zwar fanden sich drei mutige Schülerinnen der Obersekunda, die als Vertreter ihrer Klasse nach Karlsruhe fuhren, um sich im Ministerium für ihn einzusetzen, bewirken konnten sie damit allerdings nichts. Der neue Direktor Prof. Dr. Hans Kinkel, der von der Lessingschule in Karlsruhe kam und zum 1. Mai 1933 erst die kommissarische Leitung der Schule übernahm, setzte nun den „geistig-seelischen Umschwung“ in nationalsozialistischem Sinne um. Anfang Oktober wurde er dauerhaft zum Direktor ernannt und blieb in diesem Amt – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung 1935/36 – bis zu seiner Abberufung als Direktor nach Straßburg 1942. Die erste Abschlussfeier unter Kinkels Leitung am 23. März 1934 fand im Saalbau statt, der mit einer Hakenkreuzfahne dekoriert war. Ihr Ablauf zeigte, wie stark die Schule vom „nationalsozialistischen Geist“ bereits geprägt war. Unter dem Motto „Das Jahr zieht vorüber“ beginnt die Vortragsfolge der Schülerinnen mit einem Sprechchor zum „Tag der Arbeit“: das Vortragsstück „Arbeit“ von E. v. Wildenbruch. Es folgen das „Lied der deutschen Arbeitsfront“ von H. Lersch und der dreistimmige Chor „Flamme empor“ von K. Gläser, der sinnbildich für den „Tag der Jugend-Sonnenwendfeier“ stehen sollte. Das eifrige Fahnenschwingen von sechs sporttüchtigen Schülerinnen entfaltete seine Wirkung. Dem „Erntedankfest“ war das Klaviersolo „Der fröhliche Landmann“ von Schumann gewidmet. Die Feier sollte ein begeistertes Bekenntnis zum Deutschtum sein. Ihre „Krönung“ stellte das gemeinsam gesungene „Horst-Wessel-Lied“ dar, das als Lied der nationalsozialistischen Bewegung als inoffizielle Nationalhymne galt. Nach Direktor Kinkel sollte sich der Geist an der Schule dahingehend auswirken, dass die Mädchen wieder ihrem „eigentlichen Wesen“ zugeführt werden, was bedeutete, dass Frauen im nationalsozialistischen Sinne vor allem ihre Erfüllung in der Mutterrolle finden sollten.
Eine weitere Schulreform im Jahr 1937 führte zur Verkürzung der Schulzeit auf 8 Jahre durch Streichung der Untersekunda. Der Erlass vom 22. Januar 1938 machte aus der Hildaschule eine „Oberschule für Mädchen“. Der sprachliche wie der hauswirtschaftliche Zweig wurden ausgebaut. Die Streichung der zweiten Fremdsprache rief bei den Eltern allerdings Proteste hervor. Im Jahr 1939 wurden bestimmte Schulungskurse für alle Lehrkräfte Pflicht, was zur Folge hatte, dass an keinem Tag mehr alle Kollegen an der Schule waren.
Die antisemitische Ideologie machte sich im Schulalltag vor allem für die jüdischen Mitschülerinnen und Lehrkräfte bemerkbar. Der Lehrer Fritzmartin Ascher wurde zunächst zwangsbeurlaubt, aufgrund seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg jedoch weiter beschäftigt, bis Ende 1935 endgültig seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand bei gekürztem Ruhegehalt erfolgte. Die Lehrerin Hedwig David, die zwischen 1920 und 1927 an der Hilda-Schule unterrichtete, lehrte noch zeitweise in der „jüdischen Abteilung“ der Osterfeldschule. Ihre Deportation nach Gurs 1940 und später nach Auschwitz 1942 endete mit ihrer Ermordung im Konzentrationslager.
Bis wann genau Religionslehrer Hermann Marx an der Hildaschule unterrichtete, ist nicht bekannt. In den Akten findet sich ein letzter Hinweis im Jahr 1934 auf Genehmigung von sechs Deputatsstunden für israelitischen Religionsunterricht. Er flüchtete im Jahr 1938 mit seiner Frau Selma nach Palästina. Auch die Lehrerin Berta Funt musste 1933 aufgrund ihrer „jüdischen Wurzeln“ die Schule verlassen. Ebenso wurden vier weitere Lehrerinnen – vermutlich aus „politischen Gründen“ – 1933 vom Dienst suspendiert.
Die antisemitische Haltung bekamen die Schülerinnen ab 1933 immer deutlicher zu spüren. Zeitzeugen geben Einblicke in ein düsteres Bild des Schulalltags. Jüdische Schülerinnen wurden systematisch ausgegrenzt, mussten in der letzten Bankreihe sitzen, wurden im Rahmen des Unterrichtsgeschehens kaum bis gar nicht berücksichtigt und mussten spätestens 1938 zwangsweise die Schule verlassen, wenn sie sich nicht schon vorher dem Druck gebeugt hatten. So beschreibt Ida Bensinger, dass in ihren letzten Jahren an der Hildaschule arische und nicht-arische Kinder nicht in der gleichen Bankreihe sitzen und in den Pausen nicht zusammen spielen durften. Sie spricht von einer völligen Isolation, die darin mündete, dass man den jüdischen Schülerinnen an Ostern 1936 sagte, im nächsten Schuljahr seien sie nicht mehr erwünscht. Diese Forderung deckte sich mit dem Ziel des Reichserziehungsministers Rust, an Ostern 1936 in allen Orten, in denen es mindestens 20 jüdische Volksschüler gab, spezielle Schulen für Juden zu errichten und sie so aus ihren bisherigen Schulen auszuschließen. Ab Herbst 1936 wurde dieses Ziel in Pforzheim verwirklicht, denn jüdische Kinder sowie Kinder aus sogenannten „Mischehen“ wurden nun an der „jüdischen Abteilung“ der Osterfeldschule unterrichtet. Hier wurde darauf geachtet, dass arische und nichtarische Kinder so wenig wie möglich miteinander in Kontakt traten. Es gab unter anderem gesonderte Eingänge für Juden. Sie durften nicht wie die anderen Kinder auf dem Pausenhof vespern, sondern mussten dies auf dem Gang oder der Straße tun.
Einige wenige jüdische Schülerinnen blieben auch noch nach 1936 an der Hildaschule. Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Sicher belegt sind mindestens zwei Jüdinnen, die im Herbst 1938 die Schule verlassen mussten. Die Schicksale der Schülerinnen, die in den Jahren zwischen 1925 und 1938 die Hildaschule besuchten, verliefen unterschiedlich. Manche besuchten ab 1936 noch die sogenannte „Judenschule“ (Osterfeldschule; damals: Hindenburg-Schule). Viele konnten letztendlich ins Ausland fliehen bzw. wurden nach ihrer Deportation gerettet, sieben ehemalige Hildaschülerinnen verloren ihr Leben im Konzentrationslager Auschwitz. Diejenigen, die mit dem Leben davon kamen, verloren zum Teil Freunde und Familienangehörige und kämpften mit den körperlichen und psychischen Belastungen bis an ihr Lebensende.
Am 7. November 1938 erschoss der 17-Jährige Herschel Grynszpan, Sohn eines Zwangsdeportierten, den deutschen Gesandtschaftsrat in Paris. Dieses Attentat wurde als Vorwand für einen Judenpogrom genutzt, der sich über ganz Deutschland und Österreich erstreckte und im Zuge dessen etwa 30 000 Männer zwangsdeportiert wurden. Außerdem wurden zahlreiche Synagogen, jüdische Geschäfte und Gebäude zerstört und Juden wurden auf offener Straße in brutalem Ausmaß verprügelt. Über den Ablauf des Pogroms in Pforzheim ist Folgendes überliefert: Es waren in der Nacht vom 9. auf den 10. November mehrere „Schlägertrupps“ unterwegs. Die genaue Anzahl ist unbekannt. Jeder Führer dieser Trupps bekam einen Zettel mit Namen und Adressen von Juden. Die Gruppe um den SA-Scharführer Holl beispielsweise umfasste vier SA-Leute. Sie hatten den Auftrag, in die Wohnung des Zigarrenhändlers Rosenblüth, der Vater Edith Rosenblüths, in die Sophienstraße zu gehen. Unter dem Vorwand eine Hausdurchsuchung vorzunehmen, gaben sie sich gegenüber Frau Rosenblüth als Kriminalpolizei aus. Sie gingen daraufhin direkt in das Schlafzimmer, wo der 60-jährige Salomon Rosenblüth krank im Bett lag. Holl schlug mit einem Gummiknüppel auf ihn ein. Als Rosenblüths Frau dazwischenging, schlug er auch sie mehrmals mit dem Knüppel „bis ihr das Blut über das Gesicht lief“ und, nach Aussage eines Beteiligten des Trupps, Karl Schlienz, „die Kopfhaut der Frau Rosenblüth aufgesprungen war.“ Holl soll anschließend den Gummiknüppel einem der anderen SA-Leute gegeben haben mit der Aufforderung, auch auf die Juden einzuschlagen. Dieser lehnte ab, was Holl sehr aufbrachte. Danach verließ der Trupp die Wohnung. Fritz Nachmann erinnerte sich später, dass ein SA-Trupp auch in der Bertholdstraße 4 Gewalttaten verübte. Dort wohnten die jüdischen Familien von Fritz Nachmann, Leopold Blum, Julius Kahn, Max Abrahmsohn und die ehemalige Hilda-Lehrerin Hedwig David. Auch Ruth Hirsch berichtete, wie ihr Mann Rudolf misshandelt wurde. Trude Ullmann und ihre Schwester Erna berichteten 1988, dass ihr Vater Salli Ullmann auf die Straße gezerrt, verprügelt und bewusstlos liegen gelassen wurde. Nachdem seine Frau ihn in das Krankenhaus brachte, wurde er zwar behandelt, der dortige Chirurg hatte Salli Ullmanns Kopfwunden allerdings anscheinend ohne Narkose genäht.
Margot Braun, die zu diesem Zeitpunkt sehr jung war, erinnert sich, wie ihr Onkel brutal zugerichtet wurde, als er die Tür nach einem Klopfen öffnete und die Außenstehenden vorgaben, ein Telegramm zu bringen. Margots Onkel wurde am nächsten Tag gefangen genommen und ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Wie Margots Onkel erging es in dieser Nacht vielen Juden. Sie wurden von SA-Leuten brutal verprügelt und erlitten schwere Verletzungen. 23 Männer aus Pforzheim wurden verhaftet, um anschließend nach Dachau deportiert zu werden.
Am Vormittag des 10. November 1938 gab es einen großen Auflauf vor der Synagoge in der Zerrennerstraße, die zuvor massiv zerstört worden war. „Ein Anblick, den ich nie vergessen werde“, erinnert sich Herta Dreifuß. Ebenso zertrümmerten SA-Männer Fensterscheiben jüdischer Geschäfte, unter anderem am Güterbahnhof, in der Leopoldstraße, am Sedanplatz, in der Dillsteiner Straße sowie in der Östlichen und Westlichen-Karl-Friedrich-Straße. Die Geschehnisse vom 9. bzw. 10. November 1939 veranlassten selbst Leute, die zuvor der Meinung waren, man könne dem Regime entgegenstehen und die sich ihrer Heimat nicht berauben lassen wollten, dazu, über die Flucht ins Ausland nachzudenken. So erging es auch den Eltern von Hans und Ida Bensinger, die mit ihren Kindern schließlich nach Bolivien und später weiter in die USA flüchteten.
Das Attentat von Herschel Grynszpan wurde nicht nur als Vorwand für die Ausschreitungen in der Reichspogromnacht, sondern auch für einen Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15. November 1938 genutzt, der jüdischen Kindern den Besuch öffentlicher Schulen verbot. Unter diese „öffentlichen Schulen“ fielen auch jegliche jüdische Abteilungen an öffentlichen Schulen wie in Pforzheim an der Osterfeldschule, die daraufhin geschlossen wurde. Nachdem nun an der Osterfeldschule keine Möglichkeit mehr bestand, jüdische Kinder zu unterrichten, mussten die Eltern erfinderisch werden. Es standen für den Unterricht keine öffentlichen Räume zur Verfügung und so errichtete ein Teil der Eltern eine Art provisorische Schule. Andere schickten ihre Kinder von nun an in Karlsruhe zur Schule und wiederum andere planten nun die Flucht. Die provisorische Schule wurde in einem alten Laden, der dem Großvater von Lilli Braun gehörte, eingerichtet. Die Lehrerinnen, die zuvor die Klassen der jüdischen Abteilung unterrichtet hatten, versuchten nun hinter verschlossenen Fenstern und Türen Kindern unterschiedlichen Alters Wissen zu vermitteln. Im Jahr 1939 jedoch musste auch dieser provisorische Unterricht aufgegeben werden und auch für die Kinder, die in Karlsruhe zur Schule gingen, gab es ab Oktober 1939 keine Chance mehr auf schulische Bildung.
Im Zeitraum um 1939/1940 wurde die Ausweisung von Juden ins Ausland als „Lösung zur Entfernung der Juden“ propagiert und auch praktiziert. Am 15. Oktober 1940 erließ der badische Innenminister den Befehl, alle transportfähigen Juden festzunehmen und abzutransportieren. Der badische und der pfälzische Gauleiter hatten zuvor beschlossen, alle Juden aus ihren Gauen in ein Lager nach Frankreich abzuschieben. Nach der Reichspogromnacht 1938 wanderten viele Pforzheimer Juden aus, sodass zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung Pforzheims sich zu diesem Zeitpunkt bereits ins Ausland gerettet hatten. Am 22. Oktober 1940 wurden die Verhaftungen nun vollzogen und unter den 6400 Personen, die in den darauffolgenden Tagen mit sieben Sonderzügen deportiert wurden, befanden sich 186 Personen aus Pforzheim. Der Befehl des Innenministeriums lautete, alle transportfähigen Juden festzunehmen und so ergab es sich, dass der älteste Deportierte aus Pforzheim 88 Jahre alt und die jüngste ein fast dreijähriges Mädchen war. Die Betroffenen durften nur 50 kg Gepäck, sowie höchstens 100 Reichsmark Bargeld mitnehmen und ihnen wurde kaum Zeit zum Packen oder Abschied nehmen gewährt. Die zurückgelassenen Habseligkeiten der jüdischen Familien wurden vom „Generalbevollmächtigten für das jüdische Vermögen in Baden“ mit peinlicher Gründlichkeit in Listen aufgenommen, um schließlich, wie es zuvor mit einem Großteil des Vermögens ausgewanderter Juden geschah, verstaatlicht zu werden.
Nach einer viertägigen, anstrengenden Zugfahrt wurden die Menschen mit Lastwagen in das Barackenlager Gurs transportiert. In diesem Lager herrschten, obwohl es sich nicht um ein Vernichtungslager handelte, erbärmliche Zustände und der Aufenthalt stellte eine enorme physische sowie psychische Belastung dar. Nicht nur aufgrund der miserablen sanitären Zustände, sondern auch wegen der harten Winter und der menschenunwürdigen Lebensmittelversorgung kamen viele Leute in Gurs ums Leben. Die Schicksale waren unterschiedlich: Manche überlebten den Aufenthalt in Gurs, andere wiederum wurden in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert und manche, meist waren es Kinder, konnten von christlichen oder jüdischen Organisationen, der französischen Untergrundbewegung oder anderen Mutigen gerettet und versteckt werden. Die Dokumentationsstelle zur Erforschung des Schicksals der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg von 1933 bis 1945 verzeichnete 23 im Lager Gurs gestorbene und sechs verschollene Juden aus Pforzheim. Des Weiteren sind in Frankreich 13 Juden aus Pforzheim ums Leben gekommen, die entweder bei Fluchtversuchen entdeckt wurden oder trotz Rettung an den Folgen des Aufenthaltes gestorben sind beziehungsweise in anderen Lagern ums Leben kamen. Im Lager Auschwitz, in das ab 1942 viele Insassen des Lagers Gurs deportiert wurden, kamen 135 Menschen aus Pforzheim ums Leben.
Zum Gedenken derer, die ihr Leben auf grausame Art in Gurs oder nach der Deportation von Gurs nach Auschwitz verloren, haben die badischen Städte mit der Beteiligung Pforzheims ein Mahnmal errichtet, welches heute dort steht, wo die grauenvolle nationalsozialistische Ideologie auf perversem Weg in die Tat umgesetzt wurde: am Standort des ehemaligen Lagers Gurs.
Auch die Wenigen, die am 22. Oktober 1940 in Pforzheim zurück geblieben waren, wurden von den Plänen zur „Lösung der Judenfrage“ erfasst. Im Zeitraum von 1942 bis 1945 wurden sie nach Izbica bzw. Theresienstadt deportiert. Aus Theresienstadt kehrten 17 Menschen wieder nach Pforzheim zurück. Aus dem Lager Gurs, in welches weitaus mehr Menschen deportiert worden waren, kehrten vier Menschen zurück.
Das erste Abitur an der Hildaschule nach Kriegsbeginn wurde den Oberprimanerinnen ohne Prüfung zuerkannt. Grundlage war das Abschlusszeugnis der Klasse 8. Der Krieg führte zu einer einschneidenden Umstellung des Schulbetriebes. Einige Lehrer wurden zum Kriegsdienst eingezogen wie der Kunsterzieher Walter Bender, der nicht aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Auch wenn die ersten Jahre an der sogenannten „Heimatfront“ ruhig verliefen, wurden die Luftschutzmaßnahmen ausgebaut. Jede Klasse hatte eine laufstarke „Feuermelderin“, die im Ernstfall zum Bezirksamt in der Bahnhofstraße rennen musste, um dort Meldung zu machen. Der Keller wurde nach Kriegsbeginn zu einem öffentlichen Luftschutzkeller ausgebaut. Musste der Unterricht bei „Voralarm“ unterbrochen werden, so wurde er nach Entwarnung häufig wieder aufgenommen. In den Ferien wurden ältere Schülerinnen als Helferinnen in Säuglingsheimen und Kinderkrippen eingesetzt. Die Abiturientinnnen kamen in den „Reichsarbeitsdienst“. Dem schloss sich der „Kriegshilfsdienst“ an. Erst danach war es möglich, ein Studium aufzunehmen. 1942 folgte auf Dr. Kinkel Oberstudiendirektor Laube als Leiter der Hildaschule. Im selben Jahr wurde die Luisenstraße in „Dr. Fritz-Todt-Straße“ umbenannt, zu Ehren des bei einem Flugzeugabsturz zu Tode gekommenen Pforzheimers. Todt wurde schon 1922 NSDAP-Mitglied und war ab 1933 „Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen“, ab 1940 sogar „Reichsminister für Bewaffnung und Munition“.
Zum Jahreswechsel 1942/43 dehnten sich die „Luftwarnungen“ auch auf den Vormittag aus. Es kam zu ersten größeren Unterrichtsausfällen. Am 1. April 1944 fielen die ersten Bomben auf Pforzheim. Nach den Sommerferien 1944 wurden die oberen Klassen (ab der Obersekunda) komplett in die Pforzheimer Rüstungsbetriebe geschickt, um an sechs Tagen in der Woche Zünderteile zu produzieren. Nach Neujahr 1945 wurden aufgrund des Kriegsverlaufes die unteren Klassen vom Bahnhof Weißenstein aus mit dem Zug bis zur „Sammelstelle Triberg“ gebracht. Danach ging es ins Gasthaus „Rebstöckle“ nach Schonach, wo die Sexta-, Quinta-, und Quarta-Klassen untergebracht wurden. Die Unter- und Obertertialklassen kamen in ein Lager nach Furtwangen. Es gab täglich Unterricht, aber die Angst und das Heimweh waren allgegenwärtig.
Der Krieg, den die Nationalsozialisten entfacht hatten, war längst nach Deutschland zurückgekommen, als der Luftangriff der Royal Air Force am 23. Februar 1945 über die Stadt hereinbrach. Das NS-Regime hatte seit Kriegsbeginn 1939 zahllose Länder überfallen und besetzt. Weite Teile Europas waren unter deutscher Besatzung. Die Schlacht um Stalingrad sowie die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie markierten die Kriegswende und leiteten die Befreiung der Gebiete von den Besatzern ein. Deutsche Truppen waren kontinuierlich auf dem Rückzug, bis der Krieg das Gebiet des Deutschen Reiches erreichte.
Die Bombardierung Pforzheims hat sich bis heute in das Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt. Die Angriffe auf die Stadt am 23. Februar stellten einen der größten konventionellen Luftangriffe dar. 31,4 Prozent der Bevölkerung verloren dabei ihr Leben. Unter dem Codenamen „Yellowfin“ begannen um 19:53 Uhr die Angriffe von insgesamt 368 Flugzeugen. Mindestens 17 600 Menschen starben an diesem Abend. Von der weitgehenden Zerstörung – insbesondere des Stadtkerns – war auch die Hildaschule nicht ausgenommen. Zwar war der Schulbetrieb aufgrund der Kriegssituation bereits 1944 eingestellt bzw. verlagert worden, im Keller der Schule fanden jedoch einige Menschen während der Bombardierung Zuflucht. Diese konnten sich glücklicherweise retten.
Der in deutschem Namen entfesselte Krieg brachte der Stadt Tod und Zerstörung. Die Folgen der NS-Herrschaft fielen spätestens jetzt auf diejenigen zurück, die das Regime gestützt oder toleriert hatten. Die niederschmetternde Bilanz des Zweiten Weltkrieges verzeichnet nach Schätzungen mindestens 65 Millionen Opfer, darunter unzählige Zivilisten. Der von den Nationalsozialisten organisierte Massenmord an ca. sechs Millionen Juden sowie an politischen Gegnern, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, Homosexuellen und Andersdenkenden ging als beispielloser Zivilisationsbruch in die Geschichte ein.